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Piratenpartei MdEP scheitert beim Abliefern einer echten Reform des Urheberrechts

     Durch Amelia Andersdotter
     am 25. Januar 2015
     C: 138

Meinung

Der politische Diskurs über das Urheberrecht im Jahr 2006 war nicht inspiriert und eindimensional.
Aktivismus war nicht genug, um die Dinge zu ändern, und die Piratenpartei wurde als Alternative
zu den Zukunftsvisionen der Content-Medien-Dinosaurier gebildet. Direkte politische Vertretung
wurde als Voraussetzung für die Veränderung gesehen, und mit zwei Sitzen im Europäischen
Parlament zwischen 2009 und 2014 begann die Urheberrechtsreform. Die "The Pirate Party"
erreichte, durch die Wahl der Deutschen Julia Reda, nicht nur wieder in das Europäische
Parlament einzuziehen, sondern sicherte damit auch die Weiterführung der wichtigen
Berichterstattung zur Copyright-Reform. Somit waren die hohen Erwartungen für einen
längst überfälligen Umbruch des Status Quo in den politischen Debatten über das
Urheberrecht gerechtfertigt.

Aber im Bericht zum Entwurf der Reform des Urheberrechts von Julia Reda vom Montag, den 19. Januar 2015,
gibt es wenig bis nichts, was als Erfüllung dieser Erwartungen betrachtet werden kann.

Ihre Vorschläge für ein neues europäisches Urheberrecht können als "Mehr des Selben" (Anm. Ahoi: *1)
zusammengefasst werden. Sie will, dass die Europäische Union eine Regelung beschließt, die direkt auf
der Ebene der Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar ist. Sie schlägt vor, dass diese Regelung alle
aktuellen Teile des Urheberrechts enthalten kann. Dies ist an sich nützlich, vor allem für die
amerikanischen Technologie-Unternehmen, die ihre US-Erfolge wiederholen möchten und mit einem
europäischen Markt konfrontiert werden, der in ganz verschieden starke Formen und Ausprägungen
des Urheberrechte zerstückelt ist.

Die Hälfte ihres Berichts befasst sich mit den Folgen, falls die Verordnung beschlossen wird. Natürlich
werden Ausnahmen und Beschränkungen abgestimmt, und das europäische Recht soll allen Mitgliedstaaten
unmittelbar anwendbar sein. Die Menschen aber fordern weiter gefasste Ausnahmen und Grenzen und eine
neue Bewertung der Rahmenbedingungen des Urheberrechts für eine verbesserte Rechtssicherheit zum Nutzen
Einzelner. Stattdessen bekommen sie nur immer mehr Vorteile für die Unternehmen. Was Julia vorschlägt
ist, die Dinge in ihrem gegenwärtigen Zustand zu belassen, während es für die Menschen schwieriger wird,
die lokalen Gesetze zu beeinflussen.

Ein Teil des Berichts befasst sich mit Julias Bewunderung für den Europäischen Gerichtshof und den
Urteilen in den Fällen Svensson (Hyperlinks), Best Water International (eingebettete Videos) und
Vlaams Belang (Parodie). Respekt vor der Justiz ist gut, aber nicht hilfreich beim Reformieren.
Die politische Mission außerhalb des reinen Verfassungsrechts ist, den Rahmen für die Justiz
vorzugeben und nicht ihren Vorgaben zu folgen.

Ein weiteres Sechstel des Berichts - die meisten progressiven Teile - beschäftigt sich mit Rechten
an Datenbanken. Jedoch schlägt Julia  nicht vor, die Rechte an Datenbanken zu ändern. Es ist
gleichermaßen tragisch und enttäuschend: Sie trickst die Menschen aus, damit sie glauben, dass
sie etwas ändern will, aber sie hat sich gar keinen politischen Spielraum gelassen, um etwas tun
zu können. Sie erwartet, dass wir sie ohne Zweifel hochleben lassen und für sie jubeln, während
sie die Möglichkeiten ausnimmt, die in uns geweckten Hoffnungen umsetzen zu können.

Sogar die Europäische Kommission hat einen höheren Standard an sich selbst gestellt. Es ist seit 2009
anerkannt, dass das Urheberrecht gravierende Mängel hat. Die Urheberrechts-Beratung 2013 erkannte, dass
Bürger, Verbraucher und eine große Anzahl von anderen Akteuren Probleme sowohl mit der wirtschaftlichen
Gerechtigkeit und den Prinzipien des Urheberrechts erleben. De facto ist Julia Reda konservativer als
die Europäische Kommission, und das ist ein großes Problem für die repräsentative Demokratie.

Die Kommission räumt ein, dass Remixen und transformative Anwendungen für eine große Zahl von
Anwendern wichtig sind, während Julia "mit Interesse bemerkt," dass es Remixe gibt. Sie lobt das
ausgeglichene Niveau zwischen den Interessen der Rechteinhaber, welche die europäischen Urheberrechtsgesetze
erreichen. Die Kommission hingegen erkennt, dass weder die Bürger noch die Autoren der Meinung sind,
dass ein solches Gleichgewicht existiert. Macht sie irgend jemanden glücklich?

Der einzige Vorschlag, der entfernt sinnvoll ist, sind zwei Absätze zu technischen Schutzmaßnahmen. Im
Geiste der NSA Entscheidung des  Europäischen Parlaments zur Internetsicherheit von 2014, schlägt sie vor,
keine Blackboxen in Consumer IT-Produkte einzubauen. So haben wir eine Urheberrechte freundliche, von der
Internetsicherheit inspirierte Deutsche, die versucht, eine in Brüssel gemachte etatistische (Anm. Ahoi *2)
Politik über 507 Millionen Bürger Europas zu verhängen, welche die Dinge mehr oder weniger so lässt wie sie
sind. Angela Merkel hätte es nicht besser machen können, wenn sie es versucht hätte.

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Über die Autorin

ameliaa

Amelia Andersdotter hat die schwedische Piratenpartei im Europäischen Parlament zwischen
Dezember 2011 und Juli 2014 vertreten. Sie ist eine Expertin für Themen rund um das Internet,
geistiges Eigentum und IT-Richtlinien.

Markiert in: Europa, Piraten-Partei

Links / Quellen / Weitere Infos:
Anmerkungen von Ahoi:

*1) ... more of the same ... = Mehr des Selben
Das könnte eine Anspielung auf Paul Watzlawick (Wikipedia-Link) sein.
Es geht dabei darum, dass die Evolution dann nicht mehr weiter kommt, wenn sich durch veränderte
Umweltbedingungen ein Problem nicht mehr wie bisher lösen lässt, und nur versucht wird, mehr von
der bisherigen Lösung anzuwenden. Eben "Mehr des Selben".
Wird keine neue Strategie gefunden, kann das Problem nicht mehr gelöst werden.

*2) ... etatistische ...
Bedeutet, dass der Staat - gemeint ist die Regierung - als zentrale Stelle die wirtschaftlichen und
sozialen Bereiche bestimmt, während die regierte Bevölkerung nicht viel dagegen unternehmen kann.
Weitere Stimmen zum Thema:
https://blog.christian-hufgard.de/stellungnahme_zum_berichtsentwurfs_ueber_die_evaluation_der_urheberrechtsrichtlinie-2015-02-16